Treffen der Generationen – Beta Alp 4.0
Alp 4.0 MY 2016 – Alp 4.0 MY 2024
Von 2008 bis zum Jahr 2018 wurde die Alp 4.0 gebaut. Sie ist es, die sich im Laufe der Jahre unter den Fans den schon fast unerschütterlichen Ruf als Symbol für eine leichte, robuste und ewig haltbare Enduro für jedermann erarbeitet hat. Für keinen Einsatzzweck perfekt geeignet, bei vermutlich keinem einzigen Vergleichstest in den Zeitschriften ganz oben auf dem Treppchen und bei keinerlei Messwerten besonders hervorstechend, schaffte sie es trotzdem, eine ständig wachsende Fangemeinschaft um sich herum aufzubauen. Gerade wegen ihrer Eigenschaften, die keinen Besitzer zum Meistertitel im Gelände oder zum unbedingten Weltumrunder im Zweipersonenbetrieb verdonnert, zwingt sie zu nichts und ist doch für alles gut zu gebrauchen, All Purpose eben.
Jahrelang warteten die Fans auf einen Nachfolger. Die Erwartungen an eine neue Alp 4.0 waren immens und eigentlich - gerade unter sich verschärfenden Umweltauflagen - für den florentinischen Hersteller aus der Nähe von Florenz kaum zu erfüllen.
Ende 2023 war es soweit und Betamotor traute sich dennoch aus der Deckung. Die Entwicklungsphase war abgeschlossen und die neue Alp 4.0 erblickte das Licht der Welt auf europäischen Motorradmessen. Gut, sogar sehr gut waren die ersten Reaktionen der Messebesucher. Aber es gab und gibt auch Haue z.B. für den tiefliegenden Kennzeichenhalter und ebensolche Auspuffanlage.
Im Juni 2024 sind nun die ersten neuen Alp 4.0 ausgeliefert und auf YouTube kursieren Videos, in denen die Alp im Wettbewerbstempo durchs Gelände gescheucht wird. Aus unserer Sicht ist die Alp schon immer das falsche Bike für diesen Zweck (Wettbewerbstempo?!).
Die Fans diskutieren die neue Alp 4.0 und ihre Schwester, die Alp X, auf BetaBikes.de so intensiv wie kein anderes Thema auf vollgepackten 58 Forumsseiten mit über 40.000 Aufrufen.
Jetzt wollen wir von BetaBikes.de selbst wissen und im Fahrvergleich erfahren, ob die neue Alp 4.0 in die Fußstapfen ihrer Namensspenderin treten kann. Darf sie sich Alp nennen und macht sie ebensolchen Spaß?
Bei bestem Sonntagswetter im Juni 2024 stehen beide Alps nebeneinander und freuen sich wie ihre Fahrer darauf, gemeinsam kleine und noch kleinere Landstraßen im Westerwald unter die Räder zu nehmen. Wir werden uns heute auf den Straßenbetrieb beschränken. Die neue Alp spielt noch eine ganze Weile die Hauptrolle in unserem aktuellen Motorradprojekt auf BetaBikes.de und soll deswegen möglichst vorerst nicht auf der Seite liegen. Komplett eingefahren ist sie auch noch nicht.
Schon beim Starten der Motoren wird sofort klar, dass hier unterschiedliche Generationen aufeinander treffen. Die angetretene Vorgängerin hat einen (uns viel zu lauten) Zubehörauspuff montiert. Solch eine Klangkulisse ist mit Euro 5 und 5+ nicht mehr denkbar, selbst wenn wir gedanklich die zusätzlichen Dezibel des Zubehörtopfes streichen, ist sie lauter als die neue wassergekühlte Version. Für sich genommen ist die neue Alp erstaunlich kernig und angenehm im Klang, neben ihrer Mitspielerin ist sie kaum zu hören.
Stellt euch in den YouTube Einstellungen die Qualität auf 1080p
Die hier angetretene Alp von 2016 ist an vielen Stellen nicht mehr im Serienzustand. Wie an den meisten Alps sind auch an ihr verschiedene Umbaumaßnahmen und Ergänzungen vorgenommen worden. Neben dem Auspuff ist die geänderte Lampenmaske und der hohe Endurokotflügel die augenscheinlichste von vielen Veränderungen. BetaBikes.de hat 2014 der Alp 4.0 selbst ein ganzes Umbauprojekt gewidmet.
Los geht´s, lasst uns fahren.
Super handlich sind sie alle beide. Das merkt jeder Fahrer sofort. Die neue ist vielleicht sogar noch ein bisschen wendiger. Das Mehrgewicht der 2024er durch ABS und Wasserkühlung ist jedenfalls nicht zu spüren. Oder liegt das an ihrer stoppeligen Enduroserienbereifung von VeeRubber? Die Vorgängerin rollt heute auf Heidenau K60 Scout. Wer seinen Einsatzschwerpunkt auf der Straße sieht, ist mit einem Allroundreifen wie dem K60 sicherlich besser versorgt und kann trotzdem Schotter. Mehr Haftung und geschmeidigerer Abrollkomfort lassen diese Teilnehmerin sicherer und stabiler auf dem Asphalt ausführen. Dennoch erstaunlich, was der Enduroreifen auf der neuen Alp auf der Straße alles zulässt. Kurvernräubern ohne Ende, mit beiden ein Genuss.
Beide Exemplare lassen sich leichtgängig und ohne Fehlschaltungen durch die 6-Gang-Getriebe arbeiten. Die alte Alp drückt gefühlt etwas kräftiger aus den Kurven ohne wirklich Abstände beim Herausbeschleunigen zu gewinnen. Wobei wir spätestens jetzt beim Thema Leistung, Drehmoment und Beschleunigung angekommen sind.
Auf dem Papier stehen die 27 PS der alten Alp den 35 Pferden in der neuen gegenüber. Bekanntermaßen standen die luftgekühlten 349cm³ Suzukimotoren in den Vor-2024er Alps aber immer schon gut im Futter. Oftmals wurden sie im Bereich von 29/30 PS gemessen. Die Veränderungen an unserem Testexemplar taten ihr wohl zusätzlich gut. Leistungsmäßig muss sie sich jedenfalls nicht hinter der neuen einsortieren, hat hier und dort vielleicht sogar leicht die Nase vorn, ohne dass das beim gemeinsamen Ausritt wirklich nennenswert wäre. Als Freunde der tolerierten Fortbewegung sagen wir hier noch einmal, dass die scheinbar „hörbare“ Überlegenheit der alten Alp sich auf keinen Fall in den Fahrwerten widerspiegelt. Die neue Alp hat immer die richtige Power um auf der Landstraße einen Riesenspaß zu machen. Geschwindigkeiten zwischen 80 und 100 km/h vermitteln auf beiden Motorrädern das Gefühl, die Maschine lebt und fühlt sich wohl. Sonntagsfahrer auf vier Rädern zu überholen ist mit beiden Bikes kein Problem.
Beide Maschinen kribbeln ein wenig, unangenehm werden uns die Vibrationen aber nie. Die Bremsscheiben am Hinterrad beider Bikes messen 220mm im Durchmesser. Vorne scheint die Jüngere mit 290mm zu 260mm etwas vorne zu liegen. Die alte lässt sich mit nachgerüsteter Bremspumpe von Nissin beim beherzten Ankern aber auch nicht zweimal bitten. Bei normalem Landstraßenbetrieb ist bei beiden also alles safe, bei schlechten Wetter- und Straßenbedingungen und im Ernstfall würden wir uns sicherlich über das an der neuen verbauten ABS freuen. Heute war das kein Thema.
Kommen wir zum Fahrwerk. In der Vorgänger-Alp ist eine 46er Gabel verbaut, der Standrohrdurchmesser in der neuen beträgt 43mm. Die Machart in beiden Bikes ist überschaubar, zu verstellen gibt es nichts. Die Monofederbeine hinten bieten jeweils die Möglichkeit die Vorspannung an die Belastung anzupassen. Im heutigen Fahrvergleich federt die alte eine Spur kommoder. Ist die neue einfach noch zu neu und nicht eingefahren genug? Irgendwie rustikal federn beide, soll ja auch im Gelände nicht gleich durchschlagen.
Sitzposition. Auf der Vorgängerin sitzt man näher am Lenker, etwas Vorderrad orientierter. Die Neue fühlt sich mehr nach großer Tour an - Island oder Marokko? -, etwas mehr Abstand zum Lenker, etwas mehr im Motorrad als auf dem Bike.
Irgendwie cool auf beiden. Das Verstellen des Lenkanschlages bei der neuen Alp macht sich stärker positiv bemerkbar als zunächst gedacht. Für die große Offroadtour absolut ausreichend. Für das richtige Klein-Klein gab es auch bisher immer schon bessere Bikes. Die Sitzbank der alten hat etwas weichere Kanten und könnte auf Dauer im Sitzen eine Spur angenehmer sein. Beim Stehendfahren bietet die neue Alp einen Hauch mehr Bewegungsfreiheit. Richtige Komfortsitzbänke sind beide nicht. Wahrscheinlich würde der admin auf der erhofften langen Islandtour eine Fahrradhose drunterziehen.
Fahrspaß. Das Wichtigste. Mal abgesehen davon, dass die heute gefahrenen Bikes ziemlich unterschiedliche Ausgangspositionen mitbringen, die eine ist kräftig "erweitert", die andere ist noch so neu, dass nicht alle Funktionen sich schon komplett eingespielt hätten, gilt für beide: Fahrspaß wird bei beiden ganz groß geschrieben!
Die Landstraße ist ihr Revier. Völlig unbeschwert, ohne Stress und Hektik lassen sie sich von Kurve zu Kurve treiben. Stets ausreichend Leistung für einen kleinen Zwischenspurt. Dass beide Motorräder so gut miteinander können, ist ein Zeichen dafür, dass sie trotz des Altersunterschiedes und unterschiedlicher Motorentechnik, gar nicht weit auseinander liegen. Seinen Führerschein wird man auch behalten, weil beide Motorräder uns bei Landstraßentempo bereits maximale Laune bereiten, einerseits weil sie schon gefordert sind, anderseits aber genau deswegen, und sich und ihren Fahrer nicht langweilen, während überbordende Leistung und Fahrwerksqualitäten (wie bei vielen sehr starken Motorrädern) erst bei höheren Geschwindigkeiten das Leben der Maschine spüren lassen.
Optik. Ob ein Motorrad gefällt oder nicht, entscheidet jeder für sich selbst. Die bisherige Alp ist jahrelang gut angekommen und musste ihr Äußeres über die gesamte Produktionszeit kaum ändern. Der neuen Alp 4.0 sieht man auf den ersten Blick an, dass sie das neue Motorrad ist. Kantiger geschnitten, insgesamt modernerer Auftritt. Wir finden sie von Tag zu Tag schicker (den häßlichen, serienmäßigen Kennzeichenhalter haben wir ja bereits durch das von uns konstruierte Sportheck ersetzt).
Um es kurz zu machen und auf den Punkt zu bringen: Ein Hoch auf die neue Alp 4.0, sie ist eine Alp! Beta hat es geschafft, das Alp-Gefühl in die Neuzeit zu übertragen. In unseren Augen eine würdige Nachfolgerin der immer noch tollen bisherigen Spaßmacherin und ein prima Motorrad auch für die Straße. Die Geländefrage klären wir ein anderes Mal.
Ein paar Dinge kann man noch besser und schicker machen, auch das ist genauso wie bei ihrer Vorgängerin…