Endurofahren bedeutet, auf abgesperrtem Terrain oder auf Wegen jenseits von Asphalt und Straßenschildern seine Runden drehen. Auf ausgedehnten Touren und in fremden Gegenden kann man schon mal die Orientierung verlieren und dann ist es nicht schlecht, einen Helfer dabei zu haben, der den Weg zurück ins Basislager oder zum nächsten Zielpunkt weist. GPS-Geräte können im Gegensatz zu den meisten Nachrüst-Navigationsgeräten im Auto, gefahrene Strecken aufzeichnen, was die Möglichkeit schafft, am Ende des Tages am PC die ganze Tour noch einmal zu erleben. Eine tolle Sache, wenn man mit Google Earth über seine Strecke fliegen kann.
Marktführer sind die Motorradnavigationsgeräte von Garmin. Ich habe mir aus dem nahezu unüberschaubaren Angebot der Marke das Montana 600 Moto Bundle, eines der Topgeräte, herausgepickt. Im Check muss das Gerät zeigen, was es auf der Straße und vor allem auf unseren Expeditionen jenseits davon taugt.
Erster Eindruck:
Wow, was für ein Brocken. Groß und schwer wirkt es im Vergleich zu den filigranen Navis fürs Auto. Die Abmessungen sind schon beeindruckend (7,48x14,42x3,64cm), besonders die Tiefe von über 3,5 cm vermittelt das Gefühl, einen schweren Brocken in der Hand zu halten. Um die 300 Gramm wiegt es, je nachdem welches Stromversorgungssystem genutzt wird. Auf der anderen Seite wirkt es sehr robust. Man traut dem Gerät sofort zu, den ein oder anderen Bodenkontakt problemlos mitzumachen, und das kann ja mal vorkommen im Gelände.
Lieferumfang:
Die Versandkiste ist beim Moto Bundle vollgepackt. Neben dem eigentlichen GPS-Gerät befindet sich die Motorradhalterung von RAM, inklusive Anschlusskabel für das Motorrad-Stromnetz, ein USB-Kabel für die Verbindung zum Rechner, das Netzladegerät für die Aufladung des ebenfalls zum Umfang gehörenden Lithium-Ionen-Akkus, die CityNavigator Europakarte auf Micro-SD, drei matte Displayschutzfolien und eine Schnellstartanleitung im Karton. Schon mal nicht schlecht, dieses All-Inklusive-Paket.
Bedienung:
Freundschaft muss man sich verdienen, so könnte ich meinen Start mit dem Montana nennen. Trotz Erfahrungen mit den Navis verschiedener Autohersteller und den Nachrüstgeräten von Navigon und TomTom waren meine ersten Gehversuche eher holprig. Ein GPS-Gerät ist kein Navigationsgerät, wie man es vom Auto kennt, und das Montana 600 ist in erster Linie ein GPS-Gerät mt eigener Bedienlogik. Dem Gerät muss man bspw. sagen, welche Karte benutzt werden soll und welche nicht. Ich hatte für eine Hollandtour vergessen, die Straßenkarte, die ich zur Anfahrt nach Holland genutzt hatte, auszuschalten, und dafür die Topo-Karte der Niederlande einzuschalten. Es hat eine Weile gedauert, bis ich wusste, warum ich keine "Kleinststraßen" angezeigt bekam.
Der Reisecomputer hatte mir dennoch während der Tour jede Menge unterhaltsame Infos geliefert, Fahrtstrecke, Fahrdauer, Durchschnittsspeed inklusive und ohne Pausen, um nur einige zu nennen. Prima, umso ärgerlicher war es dann, als ich abends festellte, dass die Trackaufzeichung auf "nicht aufzeichen" eingestellt war, so dass die Tour eben nicht gespeichert war und ich mir auf dem PC lediglich die "leere" Karte der Niederlande angucken konnte. Die Zieleingabe einer Adresse bei der Straßennavigation ist nicht so komfortabel wie es andere Geräte vormachen (z.B. Ausblenden von nicht möglichen Buchstaben).
Alles mies, oder doch nicht?
Der 4 Zoll große Touchscreen lässt sich prima mit den Fingern bedienen, selbst mit Endurohandschuhen klappt das recht gut. Die Ablesbarkeit des Bildschirms ist wirklich gut. Bei Tageslicht kann man die Beleuchtung komplett ausschalten und selbst in der Sonne ist das transreflektive Display sehr gut ablesbar. Grundsätzlich lässt sich fast alles individuell einstellen. Auf dem Hauptmenu fehlen wichtige Menupunkte? Kein Problem, ergänzbar, austauschbar, Reihenfolge änderbar. Zur Karte sollen Zusatzinfos angezeigt werden? Was willst du sehen? Kompass, Satellitenempfang, Höhenprofil, Strecken-, Navigations- oder Geschwindigkeitsinfos, Koordinaten, alles Mögliche kann auf Wunsch zusätzlich auf dem großen Display angezeigt und einfach mit einem Tastendruck wieder ausgeblendet werden. Die Individualisierungsmöglichkeiten sind Segen und Fluch in einem. Der, der gerne alles auf den eigenen Bedarf einstellen will und mit der Technik spielen möchte, findet ungeahnte Möglichkeiten. Selbst der Einschaltknopf kann mit diversen Zusatzfunktionen belegt werden. Derjenige der sich viele Funktionen wünscht, aber im Dschungel vieler Menus trotzdem nicht zu Hause ist, läuft große Gefahr, sich darin zu verlaufen.
So flexibel das Montana sich in Bezug auf die Stromversorgung zeigt (Bordnetz, Lithium-Ionen-Akku oder Batterien im AA-Format sind möglich), so beweglich zeigt es sich auch in allen anderen Belangen.
Praxis:
Hat man sich mit der Bedienung angefreundet, kann der Spaß mit dem Montana 600 losgehen.
- Touren am Rechner planen (kostenlose Garmin-Software Basecamp), auf das Gerät übertragen und führen lassen
- Routen aus dem Internet laden und nachfahren, was andere empfehlen (es gibt unzählige, bspw. auf GPSies.com).
- Bilder von GPS-Kameras (jedes aktuelle Handy kann so was) aufspielen und sich zum Motiv routen lassen
- Straßennavigation für verschiedene Fahrzeugarten (Garmin nennt das Routenaktivität), also für Motorrad, Auto, Mountainbike, Wandern, ...)
- Offroadnavigation (routingfähige Karte vorausgesetzt) für verschiedene Aktivitäten (Motorrad, Geländefahrzeug, Mountainbike, Wandern, ...) mit entsprechend angepasster Streckenführung (einstellbar)
- Ein eigenes Profil für seine Aktivität erstellen und damit Voreinstellungen festlegen (z.B. Profil "Enduro" anlegen und Fernstraßen, Mautstraßen, etc vermeiden einstellen)
- Touren von anderen Bluetooth-fähigen Geräten empfangen (so konnte ich meine Hollandtour doch noch auf dem Garmin sehen) und nachfahren
- barometrische Höhenmessung mit 3-Achsen-Kompass
Das sind nur einige Beispiele dafür, was mit dem Montana 600 möglich ist. Der eigenen Kreativität sind nur wenige Grenzen gesetzt. Die GPS-Genauigkeit ist klasse und reicht auf alle Fälle um sich weltweit zurecht zu finden. Die Empfangsstärke ist über jeden Zweifel erhaben und reißt in schwierigem Gelände, ob im Wald oder im Häusermeer, nicht ab. Die Akkuladung reicht mindestens von früh morgens bis in den Abend und damit für jede Tagestour. Wie bereits erwähnt, ist auch die Versorgung via Bordnetz oder über handelsübliche Batterien möglich. Zur Reichweitenverlängerung kann im Energiesparmodus das Display komplett weggeschaltet werden und schaltet sich per Fingertipp für einen selbst zu bestimmenden Zeitraum wieder ein. Dann sind auch zwei Tagestouren mit einer Ladung drin. Die mitgelieferte Motorradhalterung von RAM hält das Teil bombenfest, ist allerdings nicht diebstahlsicher, also abends an der Hütte lieber abnehmen. Das Garmin kann alles ziemlich gut, wenn denn der Benutzer die Muße hat, das Gerät richtig einzustellen.
Einsatzbereiche:
Das Montana kann für die meisten Outdooraktivitäten bei denen es auf Position, Strecke und Geschwindigkeit ankommt, sinnvoll eingesetzt werden.
Naheliegend sind:
- Straßen- und Offroadnavigation
- (papierloses) Geo-Caching
- Wandern, Mountainbiken
- Segeln
- Tachometer oder Reisecomputer mit vielen Zusatzinfos
Wer´s braucht findet einen Angel- und Jagdkalender, einen Sonnen- und Mondkalender, Gezeitentabellen, einen Flächenberechner, einen Taschenrechner, und...
Im Moto Bundle wird eine Straßenkarte von Europa auf SD-Karte mitgeliefert. Garmin hat für viele Länder topografische Karten für den Geländeeinsatz im Angebot.
Sehr gut ist die Möglichkeit, kostenlose Openstreetmaps Karten (OSM-Karten) aus dem Netz zu laden und auf das Gerät zu übertragen. Das Netz bietet hier, alles was das Herz begehrt.
Pros:
- Navigation On- und Offroad
- Tourenplanung und -Import
- Flexibilität in Bezug auf Kartenmaterial (OSM)
- Touchscreen auch mit Handschuhen bedienbar
- im Sonnenlicht ablesbares Display
- unglaublich hohe Individualisierbarkeit
- Einsatzmöglichkeiten
- absolut wetterfest
Cons:
- nicht ganz billig
- hohe Individualisierbarkeit kann zu Fehlbedienung führen
- Sprachansage nur per (kabelgebundenem) Kopfhörer, allerdings Piepssignale einstellbar
- Aufbewahrungstasche: Fehlanzeige
BetaBikes.de Meinung:
Ja, aber... Ja, das Montana 600 ist absolute Spitze für den, der sich ausführlich damit beschäftigt. Es bietet unglaublich viele individuelle Einstellmöglichkeiten und ist für die vielfältigsten Zwecke eingesetzbar. Das alles ist kombiniert mit einem Display, das eine Karte wirklich ersetzen kann und sich super ablesen und bedienen lässt.
Aber, alle diejenigen, die so ein Gerät nur hin und wieder benutzen würden (und sich deswegen immer wieder neu eingewöhnen müssten), oder diejenigen, die nur über eine begrenzte Geduld im Umgang mit elektronischen Geräten verfügen, sollten besser die Finger davon lassen und sich nach einem anderen Gerät umschauen.
Empfehlenswert!
Tipp:
Wer sich für das Montana 600 entscheidet, der kann sich auch mal das "nackte" Gerät, ohne Moto Bundle anschauen. Der Verzicht auf die Motorradhalterung, den Bordnetzanschluss und die Europakarte senkt die UVP um 100,- EUR und den Marktpreis ebenso. Stattdessen die Fahrradhalterung und kostenlose OSM-Karten besorgen und das Ding funktioniert genauso. Oder ihr schaut beim BMW Händler vorbei. Dort gibt´s das Montana Bundle ebenfalls, heißt dann BMW Navigator Adventure, hat einen größeren internen Speicher und eine LM-Version (LifetimeMap) der Europakarte, das heißt lebenslange Updatefunktion. Die UVP liegt bei 625,- EUR.
Preis: 599,- EUR UVP
Bezugsquellen: Im Fachhandel, im Netz und auf der Herstellerseite.